Erinnerungen an Kinderfreuden Susanne Niemeyer Es war jedes Jahr gleich: Abends habe ich einen Stiefel vor die Schlafzimmertüre gestellt und konnte nicht einschlafen- vor Ungeduld, und auch, weil ich mich nicht entscheiden konnte, ob ich "ihn" hören wollte oder doch lieber nicht. Morgens war ich sofort hellwach, habe noch im Nachthemd und mit blossen Füssen den Stiefel hereingeholt. Im warmen Bett, Süssigkeiten um mich herum habe ich einen Moment des absoluten Glücks genossen. Später war meine Mutter etliche Male der Meinung, wir könnten doch mit diesem Spiel endlich aufhören, aber jedes Mal habe ich das Ritual erbettelt und erhalten. Die leise Aufregung, dass nachts jemand vor meiner Türe hantiert und ich merke es nicht. Der Moment nach dem Aufwachen mit der bangen Frage: wird der Stiefel gefüllt sein? Schnell rausgucken und der Flur ist nicht leer! Das fehlt mir noch immer. Am 6.Dezember schaue ich jedes Jahr heimlich voller Sehnsucht vor die Tür. Vielleicht, vielleicht steht ja doch etwas für mich im Flur?